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 Magazin „Paracelsus“ - Ausgabe Januar 2016

 


Meine Innere Familie - Systemische Aufstellungsarbeit mit „Ego-States“Foto Artikel Paracelsus 2


Um das System der Inneren Familie zu verstehen, ist es wichtig, die verschiedenen Anteile dieses Systems kennenzulernen. Hierzu existieren unterschiedliche Beschreibungen, wobei ich mich auf zwei „Modelle“ beziehen möchte, die sich miteinander sehr gut kombinieren lassen und die in ihrer Struktur sehr ähnlich sind.
Die Arbeit mit inneren Persönlichkeitsanteilen, den „Ego-States“, geht auf die Theorie von John und Helen Watkins zurück. 1995 veröffentlichte Richard C. Schwartz sein Buch über das System der „IFS“, des Inneren Familiensystems. In seinem Modell beschreibt er die Unterteilung der verschiedenen Persönlichkeitsanteile in Beschützer, Verbannte und das Selbst. In seiner Beschreibung der Struktur der Inneren Familie und den Verhaltensweisen der Persönlichkeitsanteile kommt er dem Konzept von Prof. Franz Ruppert sehr nahe.
Ruppert beschreibt, dass es bei traumatisierten Patienten zu einer Spaltung der Psyche kommt und dass die Psyche sich in folgende Persönlichkeitsanteile aufspaltet: Überlebensanteile, Traumatisierte Anteile und Gesunde Anteile. In der ursprünglichen Situation, in der wir die Verletzung oder das Trauma erfahren haben, kommt es durch eine akute oder lang anhaltende Überforderung unserer Seele zu einer Aufspaltung in drei wesentliche Bestandteile, auf die ich nachfolgend eingehen möchte.

1. Der Beschützer (Schwartz) oder der Überlebensanteil (Ruppert)
Dieser Anteil sorgt dafür, dass wir in einer belastenden Situation „überleben“. Das Herz muss weiter schlagen, wir müssen weiterhin einen Fuß vor den anderen setzen, wir müssen irgendwie weiter funktionieren. Dieser Anteil hat vor allem Schutzfunktionen in der bedrohlichen Situation und bemüht sich, uns vor weiteren schlimmen Erfahrungen zu bewahren. Ist die Gefahr vorüber, kann es passieren, dass dieser Anteil seine Schutzfunktion nicht wieder aufgibt. Stattdessen versucht der Beschützende Anteil, uns in Momenten zu schützen, in denen es gar nicht mehr notwendig ist. Der Überlebensanteil wird durch einen Trigger aktiviert.
Beispiel: Eine Person mit einer frühkindlichen Trennungserfahrung traut sich auch im Erwachsenenalter nicht, wieder eine tiefe Bindung, z.B. in einer Partnerschaft, einzugehen. Immer dann, wenn sich eine tiefere Beziehungsebene anbahnt, also wenn es emotional sehr nahe werden könnte, wird der Partner kurzerhand verlassen oder ein Drama in der Beziehung inszeniert, dass den Anderen dazu veranlasst, zu gehen. Der Beschützende Anteil sorgt dafür, dass wir nicht wieder mit den schlimmen Gefühlen von damals in Kontakt kommen müssen. Das Lebensmotto „Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen“ wird in viele Lebenssituation hinein projiziert.
In der akuten Bedrohung, der Traumasituation, ist die Bildung eines solchen Überlebensanteiles ein guter und überlebensnotwendiger „Mechanismus“, den unsere Psyche ausbildet. Jedoch kann dieser Mechanismus auch dazu führen, dass wir als Konsequenz daraus nie wieder Bindung und Vertrauen zu einer anderen Person aufbauen können. Dies wiederum schränkt uns massiv in unserer Lebensqualität ein.
Den Beschützenden Anteilen ist es nicht klar, dass wir inzwischen größer, vielleicht schon erwachsen sind und ganz andere Möglichkeiten und Ressourcen haben, um mit der gegenwärtigen Situation im Außen umzugehen. In dem Moment, wo wir durch eine gegenwärtige Situation oder Person „getriggert“ werden, sind wir sofort im Gefühl von damals. So, als ob wir die vergangene Situation noch einmal emotional erleben würden.
Hierbei kann unser Gehirn nicht unterscheiden, dass der Trigger in der Lebensgegenwart nichts mit unseren Gefühlen von damals zu tun hat, sondern, dass er nur in irgendeiner Art und Weise der Situation der Vergangenheit ähnelt. Dadurch können wir in solchen Situationen auf der Gefühlsebene nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden.
Die Aufgabe der Überlebensanteile ist also ein Schutzprogramm, um nicht mit belastenden oder überfordernden Gefühlen der Vergangenheit konfrontiert zu werden.
Typische Merkmale von Überlebensanteilen sind:

  • Schutz vor Verletzung, Scham, Angst etc. durch Vermeidungsverhalten
  • Somatisierung von Gefühlen
  • Gefühle dem Intellekt unterordnen
  • Hartherzigkeit, Unnahbarkeit, Rücksichtslosigkeit
  • Projektion der eigenen Gefühle auf Andere
  • Sucht und Abhängigkeit
  • Kritik und Kontrollverhalten
  • Hoher Leistungsanspruch/Perfektionismus, damit niemand einen Grund hat, uns zu verurteilen
  • Fehlender Selbstwert und fehlende Selbstachtung durch Lob im Außen kompensieren, sich immer beliebt machen müssen
  • Sich permanent um die Bedürfnisse von anderen kümmern, um die eigene Bedürftigkeit nicht spüren zu müssen

Überlebensanteile sind dazu da, damit schlimme Gefühle und Ego-States abgespalten bleiben. Und dazu können sie teilweise sehr massiv in ihren Verhaltensweisen werden. Sie versuchen, den Kontakt mit den traumatisierenden Gefühlen um jeden Preis zu verhindern. Auch wenn es uns dadurch in der Gegenwart schlecht geht oder wir sogar krank dadurch werden.

2. Der Verbannte Anteil (Schwartz) oder der Traumatisierte Anteil (Ruppert)
Dieser Anteil ist derjenige, der in der bedrohlichen Situation abgespalten wird. Er trägt die gesammelten „negativen“ Gefühle in sich, die wir nicht aushalten konnten oder mit denen wir überfordert sind. Um diese Gefühle wie Ohnmacht, Todesangst, Bedrohung, Verlassenheit, Bedürftigkeit, Schmerz, Trauer, Opfergefühle usw. nicht spüren zu müssen, entwickeln wir einen eigenen Persönlichkeitsanteil, der aus unserem Bewusstsein „verdrängt oder ausgeklammert“ wird. Es kommt zur Spaltung in der Seele/Psyche. Diese Anteile werden gerne vergessen oder bagatellisiert. Beispiel: „Das ist inzwischen für mich erledigt“, „Damit habe ich schon längst abgeschlossen“.
Sobald wir in Kontakt mit diesem Anteil kommen, werden wir mit den Gefühlen der Vergangenheit konfrontiert. Das ist sehr unangenehm, weil damit auch die Angst verbunden ist, in den gleichen bedrohlichen und überfordernden Gefühlszustand von damals zu kommen. Damit diese „verbannten“ Anteile nicht noch einmal erlebt werden, sorgen die Beschützenden Anteile oder Überlebensanteile dafür, dass sie im Verborgenen bleiben. Und das teilweise sehr massiv und mit einer ziemlichen Beharrlichkeit.
Typische Merkmale von traumatisierten Anteilen sind:

  • Kindliche Anteile/Verhaltensweisen und körperlicher Ausdruck
  • Anteile, die in Erfahrungen der Kindheit „stehengeblieben“ oder „erstarrt“ sind
  • Mangelnde innere Stabilität und Angst vor Überforderung, Angst, die Auswirkungen einer Situation oder Erfahrung nicht verarbeiten zu können
  • Erinnerung von schmerzhaften Ereignissen oder Gefühlen (Trauer, Schmerz, Todesangst, Überwältigung, Überforderung, Wertlosigkeit, Missbrauch, Scham, Bedürftigkeit, Einsamkeit, Machtlosigkeit, Verlust, Trennung) und die permanente Präsenz dieser Gefühle
  • Übernahme von Überzeugungen unserer Familie (Wert- und Moralvorstellungen in der Familie, Haltungen der Eltern, z.B. „Du bist nichts wert“, „Wir wollten dich nicht“, „Du hättest ein Junge/Mädchen werden sollen“, „Du bist schuld an“, „Wegen dir“
  • Übernahme von Verhaltensweisen wie z.B. Gefühle verschweigen/leugnen, sich immer zurücknehmen, falsche Bescheidenheit, Bereitschaft, „Schuld“ auf sich zu nehmen
  • Negative Erwartungshaltungen an Personen/ das Leben (nicht liebenswert sein, es kann immer etwas Schlimmes passieren, Nähe ist Bedrohung, Unzulänglichkeit etc.)

Die Traumatisierten Anteile lassen sich von den Überlebensanteilen herumschubsen, ausgrenzen, sind ihnen unterlegen. Sie werden von ihnen verbannt und in dunkle Keller gesperrt, wo sie unserem Bewusstsein nicht mehr zugänglich sind. Diese Anteile sind in ihrer kleinen Welt gefangen und erleben nicht, dass wir inzwischen älter geworden sind und uns um uns selbst kümmern können. Für die traumatisierten Anteile gibt es lediglich die eine bestimmte, schmerzhafte Situation aus der Vergangenheit – mehr nicht. Die Überlebensanteile sind oft ein Spiegelbild der traumatisierten Anteile.

3. Das Selbst (Schwartz) oder der Gesunde Anteil (Ruppert)
Das Selbst/ der Gesunde Anteil unterscheidet sich durch einen wesentlichen Aspekt von den Überlebensanteilen und Traumatisierten Anteilen. Der dritte Anteil dieses inneren Systems ist nämlich kein eigentlicher Anteil, sondern entspricht dem Kern unserer Seele/Psyche, unserem Selbst.
Überlebens- und Traumaanteile bezeichnet man als Ego-States. Hierbei handelt es sich um selbst initiierte oder „produzierte“ Anteile, die aus traumatischen oder konfliktbeladenen Situationen durch innere Spaltung, aus innerer Not heraus, entstehen. Die Gesunden Anteile sind diejenigen, die übrig bleiben, wenn die Spaltung sich lösen kann. Wir können also durch gezielte therapeutische Arbeit an unseren Trauma- und Überlebensanteilen wieder zurück zu unserem „Selbst“ kommen – dem Kern unserer Persönlichkeit. Eine Möglichkeit, mit dem Selbst oder dem Ich wieder in Kontakt zu kommen, ist z.B. durch die Systemische Aufstellungsarbeit mit den inneren Persönlichkeitsanteilen.
Typische Merkmale von Gesunden Anteilen oder dem Selbst sind:

  • Gute Konzentrations- und Merkfähigkeit
  • Möglichkeit der Gefühlsregulation und Reflexionsfähigkeit
  • Solides Grundvertrauen ins Leben und zu anderen Personen
  • Fähigkeit, Beziehungen/Bindungen einzugehen
  • Empathie sich selbst und den inneren Anteilen gegenüber
  • Empathie den Mitmenschen/der Umwelt gegenüber
  • Selbstverantwortliches Denken und Handeln
  • Innere Stabilität und Vertrauen in die eigenen Ressourcen
  • Realitätswahrnehmung und Realitätsorientierung
  • Bedürfnis nach Kontakt zu anderen Menschen
  • Erkennen von Gefahrensituationen und Bedrohung, Fähigkeit, gesunde Grenzen zu setzen
  • Bedürfnis nach Aufarbeitung, Klärung und Integration abgespaltener Anteile
  • Offene, vorurteilsfreie, neugierige Haltung dem Leben/den Menschen und auch unseren inneren Vorgängen gegenüber
  • Ruhige und zentrierte Haltung
  • Kreativität im Umgang mit Konfliktsituationen, Durchhaltevermögen, Spontanität

Die meisten von uns erleben die typischen Merkmale unseres Selbst immer wieder in einzelnen Lebenssituationen. Sie begegnen uns in ruhigen, sicheren und entspannten Momenten unseres Lebens. Durch Trigger im Außen wird auch der Gesunde Anteil in den Hintergrund gedrängt. Die Überlebensanteile treten als Beschützer in den Vordergrund.
Aufgrund von Traumata und Verletzungen in unserem Leben – besonders in der Kindheit – übernehmen unsere Ego-States die Führung und verdrängen die Gesunden Anteile soweit, dass wir sie nicht mehr spüren können. Durch die Systemische Aufstellungsarbeit können die Ego-States sichtbar gemacht werden. In der Formulierung eines konkreten Anliegens vor der Aufstellung ist es möglich, die Gefahr von Retraumatisierungen weitestgehend zu mindern. Der Aufstellende entscheidet jederzeit selbst, welcher der nächste Schritt ist und wie weit dieser gehen darf/soll, um eine erneute Überforderung in der Gegenwart zu verhindern.
Alle Ego-States haben wichtigen Funktionen bzw. Aufgaben für uns zu erledigen, die diese Anteile für unsere Psyche/Seele übernommen haben. Allen Anteilen ist es wichtig, dass ihre „Arbeit“ anerkannt wird, auch wenn sich diese für uns zunächst vielleicht negativ anfühlen kann, z.B. in Form eines unangenehmen Gefühls, einem körperlichen Symptom oder Schmerz. Durch die Darstellung in der Aufstellung können wir diese Funktionen erkennen und wertschätzen lernen, wodurch sich eine innere Klärung einstellt.


Kim Saskia Heckens


Literatur
Schwartz, Richard C.: Systemische Therapie mit der inneren Familie. Klett-Cotta Verlag, 1997
Ruppert, Franz: Seelische Spaltung und innere Heilung. Klett-Cotta Verlag, 2007
Ruppert, Franz: Symbiose & Autonomie. Klett-Cotta Verlag, 2010

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